Von EU-Verträgen und Parteibüchern
Standesinititaive im Grossen Rat für ein Ständemehr bei der Abstimmung zu den EU-Verträgen
Die EU-Verträge und die Frage, ob sie dem fakultativen oder dem obligatorischen Referendum unterstellt werden sollen, ist in aller Munde. Der Bundesrat hat sich gegen das obligatorische Referendum mit Ständemehr ausgesprochen. Dabei war unsere Landesregierung wenigstens ehrlich: Ohne Ständemehr ist ein Ja an der Urne leichter zu haben. Ein Buebetrickli.
Die SVP-Fraktion findet dieses Vorgehen der Landesregierung nicht in Ordnung und hat darum im Grossen Rat eine Standesinitiative eingereicht. Diese verlangt, ein Signal nach Bern zu schicken. Ein Signal gegen dieses Vorgehen und für das Ständemehr bei der EU-Abstimmung.
Zusammen mit der FDP und der EDU konnten wir diese Initiative als erheblich erklären. Das bedeutet, wir können die Frage des obligatorischen Referendums für die EU-Abstimmung im Parlament diskutieren. Die anderen Parteien haben uns leider nicht geholfen.
Ich persönlich befürworte ein obligatorisches Referendum mit Ständemehr für die EU-Abstimmung. Auch alle unsere SVP-Nationalräte tun dies. Gleich sieht es der Aargauer Ständerat Thierry Burkart, der es in der NZZ auf den Punkt gebracht hat: «Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Personenfreizügigkeit mit der EU der schweizerischen Verfassung vorgehe. Wenn eine Verfassungsänderung ein obligatorisches Referendum braucht, dann gilt dies erst recht bei einer Änderung von Normen, die über der Bundesverfassung stehen.» (NZZ-Interview vom 3. Juni 2025). Damit ist alles gesagt.
Ständerätin Marianne Binder hat sich bisher eher ablehnend zum Ständemehr geäussert, aber noch nicht festgelegt. Ablehnend zeigen sich auch ihre Parteikollegen aus der Mitte: Die Mitte-Fraktion im Grossen Rat hat bei der Überweisung der Standesinitiative nicht geholfen. Das erstaunt nicht, ist doch Regierungsrat Markus Dieth ein überzeugter Befürworter des Vertragspakets. Er meint, die Druckversuche der EU auf die Schweiz würden «mit Annahme des Vertragspakets enden» (NZZ am Sonntag vom 18.11.2024). Markus Dieth ist Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KDK). Das ist ein vertragliches Gebilde, eine Art Zentralorgan, und dient der «Meinungsbildung unter den Kantonen». Ich dachte ja immer, das Volk bildet die Meinung der Kantone, aber was weiss schon eine Parteisekretärin. Nun ist es so, dass auch die KDK sich zum Vertragspaket mit der EU positionieren wird und damit gewichtigen Einfluss auf das Bundesparlament und die Entscheidung über die Frage eines möglichen Ständemehrs haben wird. Man möchte meinen, dass «die Kantone» sich für die Stimme «der Stände» einsetzen werden. Aber mit Blick auf die Haltung des Präsidenten der KDK darf man eher wenig hoffnungsvoll sein. Wir bleiben gespannt.
Im Aargauer Parlament startet die Diskussion zur «Standesinitiative für ein Ständemehr» nach der Sommerpause. Ob die Initiative überwiesen wird und wir das gewünschte Signal nach Bern schicken können, bleibt offen.
Noch ein Wort zum Ständemehr: Wenn Sie Leserbriefe oder Beiträge lesen, die sich grundsätzlich gegen das Ständemehr aussprechen, im Sinne von «ein Appenzeller hätte damit mehr Gewicht an der Urne hat als ein Zürcher», dann bleiben Sie aufmerksam: In weiten Kreisen linker Parteien möchte man das Ständemehr ganz abschaffen. Ich frage Sie, liebe Leserinnen und Leser: Wollen wir, dass nur die grossen Zentren in unserem Land bestimmen oder sind wir nicht immer noch ein Staatenbund, eine Eidgenossenschaft? Die Frage, ob das Ständemehr noch zeitgemäss oder demokratisch ist, ist eine Frage für sich und hat mit den EU-Verträgen nichts zu tun. So hat sich bei der Hornkuhinitiative niemand daran gestört, dass das Ständemehr zum Tragen kam. Wenn Sie also lesen, dass es das Ständemehr für die Abstimmung zu den EU-Verträgen nicht braucht, weil es «undemokratisch» sei, dann lesen Sie womöglich den Text eines Euroturbos.
Was darf man eigentlich noch sagen und was nicht?
Bekanntlich wurde René Schindler, Grossrat und Einwohnerrat von Zofingen, Opfer eines körperlichen Übergriffs. Die Täter haben mit starkem ausländischem Akzent gesprochen. Die SVP Aargau hat in der Folge eine Medienmitteilung veröffentlicht und geschrieben, dass die noch unbekannte Täterschaft einen Migrationshintergrund habe. Die SP kritisiert dies als Hetze und Vorverurteilung. Die Kantonspolizei ihrerseits suchte nach drei Männern, die «Deutsch mit ausländischem Akzent» gesprochen haben.
Wir haben es weit gebracht in unserem Land: Man kann abends nicht mehr sicher durch Bahnhöfe und über Plätze gehen und man darf auch nicht mehr sagen, was Sache ist. Warum soll es Hetze sein, wenn man sagt, dass ein Mensch einen Migrationshintergrund hat? Und warum darf man aufgrund eines auffälligen ausländischen Akzents nicht auf einen Migrationshintergrund schliessen? Darf man auch nicht sagen, dass wenn ein Mensch mit breitem Berndeutsch spricht, er mutmasslich aus dem Kanton Bern kommt? Ich frage mich, wie die Polizei künftig nach unbekannten Tätern fahnden soll, wenn man nicht mehr sagen darf, ob diese ein asiatisches, afrikanisches oder europäisches Aussehen, blonde, schwarze oder gar keine Haare mehr haben. Wie sucht man denn politisch korrekt nach unbekannten Tätern?
Aber das passt zur SP und zum neuen Stil des Co-Präsidiums, das gerne die moralische Keule schwinget, zumindest gegen die SVP: Unser Parteikollege Gaudenz Lüchinger, Birrhard, musste sich einiges gefallen lassen, nachdem er Sanja Ahmeti (Operation Libero) eine E-Mail geschrieben hat. Ahmeti liess besagte E-Mail veröffentlichen, der Aufschrei über den gepfefferten Inhalt war gross. Die SP Aargau formulierte einen offenen Brief an den Gemeinderat von Birrhard und sammelte Unterschriften. Die Forderung: Die Exekutivkollegen von Lüchinger sollen sich klar und öffentlich von Lüchingers Aussagen distanzieren. Die SP fragte provokant: «Können Sie garantieren, dass er seine Aufgaben gegenüber allen Einwohnerinnen und Einwohnern neutral und im Sinne der Gemeinde Birrhard ausüben kann?» Ein Frontalangriff auf die Integrität eines vom Volk gewählten SVP-Mannes.
Mir scheint, wenn man das richtige Parteibüchlein hat, darf man sich alles erlauben.
Von Barbara Borer-Mathys, Parteisekretärin, Grossrätin, Holziken
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